Dies ist ein in seiner Thematik einzigartiges Buch. Ich kenne kein anderes, zumindest kein deutschsprachiges, das Informatik-Management so behandelt, wie Dr. Karl-Rudolf Moll das tut. Wir haben viele Bücher über Projektmanagement, also darüber, wie man Software-Entwicklungen plant, kontrolliert, steuert. Aber Informatik-Management ist mehr, ist etwas anderes, nämlich: Wie organisiert und wie führt man die Einheiten eines Unternehmens, die seine elektronische Informationsverarbeitung besorgen? Natürlich gibt es betriebswirtschaftliche Lehrbücher, die Organisationsfragen behandeln, aber derart spezifisch auf die Informatik ausgerichtet und von konkreter Erfahrung geprägt wie dieses Buch können sie gar nicht sein. Denn Karl-Rudolf Moll hat darin seine Erfahrungen und Einsichten aus zwölf Jahren Tätigkeit bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank AG in München zusammengefaßt. Er hat es sich abgerungen in der knappen Freizeit, die ihm sein Manager-Job als DV-Chef der Bank übriggelassen hat.

Daten und Informationen sind für Banken, ebenso wie für Versicherungen und Reiseveranstalter, der Grundstoff ihrer Geschäftstätigkeit. Für Unternehmen, die materielle Güter produzieren, ist die Informationsverarbeitung auch wichtig, abgestuft allerdings: für die Produktion von Autos mehr, von Stahl weniger. Derlei Unterschiede in der Rolle der Informatik beeinflussen natürlich das DV-Management und die Gestaltung der Systeme. Ein Konzern mit Produktionsstätten an verschiedenen Orten kann (und sollte) diese dezentral führen und mit verteilter Datenverarbeitung ausstatten. Eine Bank muß ihre Konten in einer zentralen Datenbank führen, es wäre absurd, in jeder Filiale eine eigene zu installieren. Auch eine Fluggesellschaft muß ihre Reservierungen an einer Stelle speichern, es gibt keine Kriterien, denen zufolge sie in der Welt sinnvoll verteilt werden könnten.

Schlagwörter wie Downsizing, Client/Server, Open Systems, Mainframe als aussterbender DV-Dinosaurier bestimmen die derzeitige Diskussion in der Fachwelt, jedenfalls wenn man einigen populären Zeitschriften folgt. Dabei wird allerdings oft wenig differenziert und manchmal das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Gewiß müßten viele Anwendungen nicht auf einem Großrechner laufen, sondern wären auf einem dezentral aufgestellten Unix-Rechner besser aufgehoben (aber wer betreibt ihn?). Und gewiß ist es oft sinnvoll, mit einer Client/Server-Architektur Rechnerleistungen direkt an den Arbeitsplatz zu bringen. Aber fast nie ist es vernünftig, eine (logisch einheitliche) Datenbank auf mehrere Rechner an verschiedenen Orten zu verteilen. Dagegen ist es für viele informationsverarbeitenden Unternehmen notwendig, ein großes Rechenzentrum (oder einige wenige) zu betreiben. Und das nicht, weil deren Informatik-Management im technischen Mittelalter verharrt, sondern weil es gute Gründe gibt:

  • Buchungen (auf Konten, von Flügen, in Hotels) brauchen eine zentrale Datenhaltung (letztlich kommt es auf ein einzelnes Bit an, und ein Bit kann man bekanntlich nicht (ver)teilen).
  • Die Organisation bestimmter Vorgänge läßt sich zentral effizienter gestalten, etwa das Drucken, Kuvertieren und Versenden von Dokumenten, z.B. Versicherungspolicen. (Porto-Optimierung kann man nur wirksam betreiben, wenn man bei der Post große Mengen einzuliefern hat.)
  • Batchläufe, die typischerweise den ganzen Datenbestand verarbeiten, können effizient nur auf einem zentralen Rechner abgewickelt werden.
  • Die Sicherheit, die etwa eine Bank von ihrer Datenverarbeitung fordern muß, läßt sich nur in einem Rechenzentrum garantieren. Die baulichen, organisatorischen und personellen Maßnahmen dafür sind viel zu aufwendig, um sie an mehreren Orten zu erbringen.

Wen diese Aspekte wegen ihrer Allgemeinheit noch nicht recht überzeugen, wird anders darüber denken, wenn er dieses Buch, insbesondere Kapitel 5 (Rechenzentrumsbetrieb), gelesen hat. Er wird dann Karl-Rudolf Moll nicht für den Herrn eines in den letzten Zügen liegenden Mainframe-Dinosauriers halten, sondern wissen, daß das Informatik-Management einer Bank eine höchst komplexe Aufgabe ist, zu der u.a. gehört, ein großes Rechenzentrum mit riesigen Datenbeständen zuverlässig zu betreiben und zugleich für eine dezentrale Infrastruktur (Kommunikationstechnik, Knotenrechner, Server, PCs, Schalter-Terminals, Geldausgabeautomaten etc.) zu sorgen, damit die Filialen ihre Kunden zufriedenstellen können.

Ernst Denert